An einem kalten Winterabend findet der alte sympathische Junggeselle Seligman (Stellan Skarsgård) eine halb-bewusstlose, zusammengeschlagene Frau namens Joe (Charlotte Gainsbourg) in einer dreckigen Seitenstraße. Er nimmt sich ihrer an, bringt sie zu sich nach Hause und pflegt die schwer Verletzte. Als sie dort irgendwann wieder zu sich kommt und Joe ihre Wunden behandelt, fragt er sie, wie es zu solch einer Situation kommen konnte. Joe fängt an Seligman ihre Lebensgeschichte zu erzählen ohne jegliche Scheu vor dem fremden Mann zu haben.
Eingeteilt in acht Kapitel erzählt sie ihren Werdegang von der Geburt bis zu ihrem fünfzigsten Lebensjahr. Die eigene Lebensdiagnose ist geprägt von mannigfaltigen Facetten und erotischen Erlebnissen. Sie schmückt die Geschichte mit Erlebnissen und Erfahrungen, die von ihren tief verborgenen erotischen und emotionalen Wünschen zeugen.
„Wie schon in „Antichrist“, den er in Zitaten konsequent fortschreibt, entlarvt der Regisseur den sexuellen Leerlauf als Logik verschiedener gesellschaftlicher Systeme: Wenn sich die junge Joe etwa von einem Mechaniker entjungfern lässt, während er an seiner Vespa herumhantiert, oder mit ihrer Freundin in einem Zug um die Wette kopuliert, offenbart von Trier die heutige Sexualität, wie sie allseits konsumierbar wird, als ein mechanisches Aneinanderreiben der Körper.
In einer anderen Szene hingegen blendet er, als seine Protagonistin von ihrer sich ständig feilbietenden Vagina spricht, die automatische Schiebetür eines Kaufhauses ein. Klarer könnte man die Demaskierung der geschlechtlichen Beziehung zwischen Mann und Frau als kapitalistisches Ausbeutungs- und Entleerungsmodell kaum pointieren. […]
Ungeachtet oberflächlicher Lesarten, ist Lars von Trier keineswegs ein Frauenverächter, die Protagonistinnen befinden sich lediglich in einem aus seiner Sicht heillosen, nihilistischen Höllendasein. Zugegeben: Seine Frauen mögen darin den ewigen Kampf nicht immer gewinnen, sie verlassen jedoch stets als Heldinnen die Bühne. [...]
Wer sich in diese triste Seelenschau vorwagt, wird zwar ein krankes Schicksal entdecken, aber durch eine von Genialität, Bildgewalt und Vieldeutigkeit getragene Filmkunst belohnt. Jenseits des ungeschönten Blicks in den Orkus beherrscht es der dänische Grossmeister des Psychokinos wie kaum ein anderer, die Gebirge unserer Sehnsüchte und Hoffnungen aufzuzeigen.“ (Björn Hayer, auf: nzz.ch)
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„Nymphomaniac 1“: Das ist unverkennbar Lars von Trier, und es ist Lars von Trier at his best. Ein Film, sorgfältig gefertigt, bildschön, klug. Ein Mann, eine Frau, die sich das erste Mal begegnen, ein Ausflug in die Kunst- und Kulturgeschichte. Und eine dialektische Abhandlung darüber, dass vieles – alles – bloß eine Frage des persönlichen Standpunktes ist. Es beginnt mit dunkler Leinwand, einer Geräuschspur, wie sie so auffällig präzise und leise rhythmisierend vielleicht seit „Dancer in the Dark“ nicht mehr vorkam. [...]
Es sind nicht Joes zunehmend perverse Sexpraktiken und -erlebnisse [...], sondern der Umstand, dass sie dafür ihre Gefühle sowie Sohn und Gatte verrät, die „Nymphomanic - Teil 2“ zum erschütternden Erlebnis machen: Joe ist unübersehbar eine Seelenverwandte der dysfunktionalen Mutter aus „Antichrist“ fühlsgestörten Protagonistin aus „Melancholia“ – und „Nymphomaniac“ somit der meisterhafte Abschluss der von Trierschen Trilogie zur Depression.“ (Irene Genhart, auf: filmdienst.de)
An einem kalten Winterabend findet der alte sympathische Junggeselle Seligman (Stellan Skarsgård) eine halb-bewusstlose, zusammengeschlagene Frau namens Joe (Charlotte Gainsbourg) in einer dreckigen Seitenstraße. Er nimmt sich ihrer an, bringt sie zu sich nach Hause und pflegt die schwer Verletzte. Als sie dort irgendwann wieder zu sich kommt und Joe ihre Wunden behandelt, fragt er sie, wie es zu solch einer Situation kommen konnte. Joe fängt an Seligman ihre Lebensgeschichte zu erzählen ohne jegliche Scheu vor dem fremden Mann zu haben.
Eingeteilt in acht Kapitel erzählt sie ihren Werdegang von der Geburt bis zu ihrem fünfzigsten Lebensjahr. Die eigene Lebensdiagnose ist geprägt von mannigfaltigen Facetten und erotischen Erlebnissen. Sie schmückt die Geschichte mit Erlebnissen und Erfahrungen, die von ihren tief verborgenen erotischen und emotionalen Wünschen zeugen.
„Wie schon in „Antichrist“, den er in Zitaten konsequent fortschreibt, entlarvt der Regisseur den sexuellen Leerlauf als Logik verschiedener gesellschaftlicher Systeme: Wenn sich die junge Joe etwa von einem Mechaniker entjungfern lässt, während er an seiner Vespa herumhantiert, oder mit ihrer Freundin in einem Zug um die Wette kopuliert, offenbart von Trier die heutige Sexualität, wie sie allseits konsumierbar wird, als ein mechanisches Aneinanderreiben der Körper.
In einer anderen Szene hingegen blendet er, als seine Protagonistin von ihrer sich ständig feilbietenden Vagina spricht, die automatische Schiebetür eines Kaufhauses ein. Klarer könnte man die Demaskierung der geschlechtlichen Beziehung zwischen Mann und Frau als kapitalistisches Ausbeutungs- und Entleerungsmodell kaum pointieren. […]
Ungeachtet oberflächlicher Lesarten, ist Lars von Trier keineswegs ein Frauenverächter, die Protagonistinnen befinden sich lediglich in einem aus seiner Sicht heillosen, nihilistischen Höllendasein. Zugegeben: Seine Frauen mögen darin den ewigen Kampf nicht immer gewinnen, sie verlassen jedoch stets als Heldinnen die Bühne. [...]
Wer sich in diese triste Seelenschau vorwagt, wird zwar ein krankes Schicksal entdecken, aber durch eine von Genialität, Bildgewalt und Vieldeutigkeit getragene Filmkunst belohnt. Jenseits des ungeschönten Blicks in den Orkus beherrscht es der dänische Grossmeister des Psychokinos wie kaum ein anderer, die Gebirge unserer Sehnsüchte und Hoffnungen aufzuzeigen.“ (Björn Hayer, auf: nzz.ch)
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„Nymphomaniac 1“: Das ist unverkennbar Lars von Trier, und es ist Lars von Trier at his best. Ein Film, sorgfältig gefertigt, bildschön, klug. Ein Mann, eine Frau, die sich das erste Mal begegnen, ein Ausflug in die Kunst- und Kulturgeschichte. Und eine dialektische Abhandlung darüber, dass vieles – alles – bloß eine Frage des persönlichen Standpunktes ist. Es beginnt mit dunkler Leinwand, einer Geräuschspur, wie sie so auffällig präzise und leise rhythmisierend vielleicht seit „Dancer in the Dark“ nicht mehr vorkam. [...]
Es sind nicht Joes zunehmend perverse Sexpraktiken und -erlebnisse [...], sondern der Umstand, dass sie dafür ihre Gefühle sowie Sohn und Gatte verrät, die „Nymphomanic - Teil 2“ zum erschütternden Erlebnis machen: Joe ist unübersehbar eine Seelenverwandte der dysfunktionalen Mutter aus „Antichrist“ fühlsgestörten Protagonistin aus „Melancholia“ – und „Nymphomaniac“ somit der meisterhafte Abschluss der von Trierschen Trilogie zur Depression.“ (Irene Genhart, auf: filmdienst.de)